Der frühere Verteidigungsstaatssekretär Markus Grübel hat in Ostfildern eine „Zeitenwende in den Köpfen“ gefordert. Bei einer Veranstaltung am Dienstag (30. April) in Ruit zog er mit Blick auf die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands eine düstere Bilanz.

Ein von Russland vom Zaun gebrochener Angriffskrieg, der in Europa nun schon jahrelang tobt; ein mit den Muskeln spielendes China, das Taiwan mit militärischer Gewalt droht; und die Gewaltspirale im Nahen Osten, die sich zuletzt in einer direkten Konfrontation zwischen Iran und Israel weiter zugespitzt hat: In der Welt brodelt es gewaltig. Doch wie kann Deutschland in dieser unfriedlichen Welt bestehen?

„Wir Deutschen wären einem solchen Angriff hilflos ausgeliefert.“

Mit Blick auf den iranischen Angriff auf Israel Mitte April, den Jerusalem relativ gut pariert und deshalb nur geringe Zerstörungen hinzunehmen hatte, gibt der örtliche CDU-Bundestagsabgeordnete Markus Grübel eine klare Antwort: „Wir Deutschen wären einem solchen Angriff hilflos ausgeliefert.“ Umgekehrt sei Deutschland auch nicht in der Lage, einen Großangriff zu starten, wie Iran diesen mit einem Schwarm Drohnen und Marschflugkörpern vom Zaun gebrochen hatte.

Munition Deutschlands reicht nur für zwei Tage Kampf

Grübel, der zwischen 2013 und 2018 Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium war, dekliniert die militärische Lage Deutschlands anhand verschiedener Parameter durch: Statt einer Vollausstattung von 44 Leopard-Panzern müssten Bundeswehreinheiten mit lediglich 20 auskommen; die Munition, über die die Bundeswehr verfüge, reiche gerade einmal, um ein bis zwei Tage im Kampf zu bestehen. Und während die auf 181.000 Soldaten zusammengeschrumpfte Truppe einen Aufwuchs von 30.000 bis 40.000 Männern und Frauen pro Jahr nötig habe, gewinne sie jedes Jahr weit weniger als 10.000 Nachwuchskräfte.

Drei-Prozent- statt Zwei-Prozent-Ziel notwendig?

Was Markus Grübel kritisiert: Nach der Zeitenwende-Rede von Kanzler Scholz im Februar 2022 habe es bis Juli 2023 gebraucht, bis die Bundesregierung Munition nachbestellt habe. Auch sei die Unterstützung der Ukraine durch die Ampel ein „Trauerspiel“, da sie zu zögerlich erfolge und dem Land bis jetzt auch die Taurus-Marschflugkörper verwehre.

„Die 100 Milliarden Euro im Sondervermögen der Bundeswehr sind zudem überschaubar, wenn man die großen Anstrengungen bedenkt, die notwendig sind“, so Grübel. „Ich schätze, dass wir drei Prozent des Bruttoinlandprodukts brauchen, um wieder verteidigungsfähig zu werden.“ Das Zwei-Prozent-Ziel habe nie dem Sicherheitsaspekt Rechnung tragen sollen, sondern nur der fairen Lastenverteilung im NATO-Verteidigungsbündnis.

Wehrpflicht nach schwedischem Vorbild gefordert

Ferner fordert Grübel, der Reserveoffizier beim Marinekommando Rostock ist, die Einsatzmöglichkeit der Bundeswehr im Inland, eine einfachere, von einer radikalen Minderheit im Bundestag nicht mehr zu blockierende Feststellung des Spannungsfalls, sowie eine Wehrpflicht nach schwedischem Modell, die zwar nur einen Teil der Wehrpflichtigen, dafür aber Frauen und Männer gleichermaßen zum Dienst an der Waffe verpflichtet.

Nur für maximal jeden fünften Deutschen hat die Landesverteidigung Priorität

Grübels Fazit: „Das Erste, was sich in Deutschland ändern muss, ist die Zeitenwende in den Köpfen der Leute.“ Denn während etwa 85 Prozent der Finnen sagten, sie wollten alles tun, was möglich sei, um das Land zu verteidigen, könnte in Deutschland gerade einmal jeder Fünfte, bisweilen auch nur jeder Siebte diese Aussage unterschreiben. Außerdem hätten in Finnland 40 Prozent der Bürger eine militärische Grundausbildung gemacht, in Deutschland gerade einmal 0,3 Prozent. Vor Ort stemmten sich die Gemeinderäte auf Druck der Bürger allein schon dagegen, dass ihre Stadt Produktionsstandort für Munition werde.

"Unsere Werte sind es wert, verteidigt zu werden."

Grübel: „Es geht um unseren Wehrwillen. Unsere Werte sind es wert, verteidigt zu werden: Freiheit und Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit!“ Anders als früher sei man nicht länger „von Freunden umzingelt“; den „ewigen Frieden“ gebe es nicht mehr. „Unsere Gesellschaft muss resilient werden, auch um hybride Bedrohungen abzuwehren, die unter anderem gegen die kritische Infrastruktur gerichtet sind!“

"Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun."

CDU-Stadtverbandschef Dr. David Preisendanz erinnerte daran, dass die Unionsparteien immer für die ausreichende Finanzierung der Streitkräfte eingestanden seien, was aber von der SPD nicht mitgetragen worden sei. Auch die Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen sei mit der SPD nicht zu machen gewesen. Preisendanz: „In dem allgemeinen gesellschaftlichen Klima war es schwierig, die Verteidigungsfähigkeit wiederherzustellen.“ Markus Grübel verwies entsprechend auf ein Zitat Edmund Burkes: „Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun.“

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